Krank im Kopf

In der gestrigen Ausgabe der FAZ – die Ausgabe vom 2.2.16 – findet sich auf der ersten Seite von “Natur und Wissenschaft” ein Interview mit dem überaus erfolgreichen, dynamisch in die Zukunft stürmenden und immer noch auf den Nobelpreis wartenden Biochemiker namens Leroy Hood, der von der Zeitung als Schöpfer der Datenwolke bezeichnet wird, die Menschen künftig umfangen sollen, um ihnen ein digitales Wohlgefühl und ewige Gesundheit zu verschaffen. Das heißt, ewig soll die Gesundheit nicht währen, dafür aber 100 Jahre, und so sieht es aus, das Ideal von Leroy Hood, die Vorstellung eines perfekten Daseins: “Hundert Jahre alt werden und dann ganz schnell sterben.” Warum sterben nach 100 Jahren? Weil “wir sie dann wieder allein lassen”, wie Hood meint und was seinen Gesprächspartner leider nicht in schallendes Gelächter ausbrechen lässt. Hood scheint krank im Kopf zu sein, aber das wird ihn nicht aufhalten, in der Gesellschaft mit seinen Versprechungen Gehör und Geld zu finden und zum Beispiel in der FAZ interviewt zu werden. Ich hatte in den 1970er Jahren zufällig die Gelegenheit, ein paar Jahre neben dem heute 77jährigen Hood auf demselben Flur einer amerikanischen Universität zu werkeln. An seinem Büro hing ein schönes Schild mit der Aufschrift, If you have nothing to do, don´t do it here.” Richtig. Wenn wir nichts zu tun haben, sollten wir uns verabschieden und einfach gehen. Oder? Oder kommt etwas nach dem, was die FAZ in dem Interview mit dem Biomedizin-Enthusiasten den gläsernen Menschen nennt? In der europäischen Kultur – lang, lang ist es her – gab es eine Epoche namens Aufklärung, die nicht nur das Nutzen des eigenen Verstandes empfahl, sondern den Menschen auch das Glück versprach, nachdem man alles aufgeklärt und die Regeln des Lebens vollständig verstanden hätte. Historiker wissen, was danach gekommen ist – die Romantik mit ihren Hymnen an die Nacht und dem Hinweis, dass es neben den Tatsachen noch anderes gibt, was man erst schaffen müsste, nämlich sein eigenes Leben. Gesundheit gehört zu diesem Leben. Sie bleibt ein Geheimnis, und zwar erst recht, wenn jemand in Hoods Datenwolken verschwindet.


Dieser Beitrag wurde auch auf ScienceBlogs veröffentlicht.

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