Vor 50 Jahren erschien der Longseller „The Structure of Scientific Revolutions“, in dem der amerikanische Wissenschaftshistoriker Thomas Kuhn das normale Treiben von Wissenschaft – Rätsellösen – von dem revolutionären unterschied, dem er zubilligte, einen Paradigmenwechsel vorzunehmen. Endlich schrieb jemand etwas gegen die stupide Logik der Forschung, und das Volk war begeistert, auch wenn Kuhn nie so recht klar zu machen wusste, was denn nun ein Paradigma ist – nämlich das Brett, das alle Forscher einer Zeit vor dem Kopf haben. In diesen Tagen feiert Kuhn millionenfach verkauftes  Buch also Geburtstag, und die Historiker und Philosophen loben es, wo und wie sie nur können. Bei all den Gratulationen fällt auf, dass sich kein Wissenschaftler selbst zu Wort meldet. Entweder haben sie Kuhn nicht gelesen oder erachten ihn für belanglos und gehen in der Praxis vor, wie sie wollen. Das heißt, es gibt eine Ausnahme. Der große Physiker Werner Heisenberg hat Kuhn gelesen, und Heisenbergs Schüler Carl Friedrich von Weizsäcker erzählt davon in seinem Buch „Zeit und Wissen“ auf S. 799 (München, 1992). Heisenberg hat Kuhns Buch zwar gefallen, aber „er verpatzt die Pointe“, wie Heisenberg meint, um fortzufahren: „Was er Paradigmen nennt, sind in Wirklichkeit abgeschlossene Theorien. Sie müssen einander diskontinuierlich folgen, weil sie einfach sind. Das wirkliche philosophische Problem ist: warum kann es einfache Theorien geben, die wahr sind? An diesem Problem geht Kuhn vorbei“, und wir tun es ihm bis heute nach. Dabei hat man – so Heisenberg – „nichts von der Möglichkeit von Wissenschaft verstanden, solange man das nicht verstanden hat.“ Da liegt der Schlüssel zur Geschichte der Naturwissenschaft. Wer riskiert es, ihn aufzuheben?

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